Die Straßenausbaubeiträge in Sachsen-Anhalt müssen schnellstens abgeschafft werden
Betroffene Bürger und Kommunen in Sachsen-Anhalt sind zutiefst verunsichert. Zwar gibt es mittlerweile Absichtserklärungen aller Landtagsfraktionen, die Straßenausbaubeiträge endlich abschaffen zu wollen. Doch bis Redaktionsschluß dieses Heftes war noch vollkommen unklar, wann und zu welchen Konditionen dies geschehen soll. Als letzte Fraktion hatte die CDU im November 2019 eingelenkt und war zumindest verbal von den Zwangsbeiträgen abgerückt. Es folgten jedoch ergebnislose Gespräche mit den Koalitionären von SPD und Grünen. Mitte Januar dann sorgte CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt für Entrüstung mit der Aussage, die Beiträge könnten frühestens zum 1. Januar 2021 abgeschafft werden.
Abschaffung muß rückwirkend sein
Dazu erklärte VDGN-Vizepräsident Lothar Blaschke: „Viele betroffene Bürger müssen immer noch auf unbestimmte Zeit teilweise fünfstellige Beiträge fürchten, die ihre wirtschaftliche Existenz in Frage stellen. Auch schiebt die CDU mit ihrer Hinhaltetaktik den Kommunalpolitikern den Schwarzen Peter zu. Sie werden am Pranger stehen, wenn sie in den kommenden Jahren noch Beiträge kassieren, deren Abschaffung eigentlich längst beschlossene Sache ist.“ Aus Sicht des VDGN sei es unerträglich, diesen Termin derart hinauszuschieben.
Erst kurz zuvor hatte VDGN-Präsident Christian Gräff in einem Brief die Landtagsabgeordneten der CDU aufgefordert, die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge endlich zu forcieren. Maßgeblich dabei muß der Erlaß des Beitragsbescheides sein. Wörtlich heißt es in dem Brief unter anderem: „Weiteres Zögern erschüttert das Vertrauen in die Landespolitik und führt zu Stillstand bei kommunalen Investitionen. In den Städten und Gemeinden werden derzeit alle Entscheidungen über Straßenausbaumaßnahmen zu-rückgestellt, und in den Kommunalvertretungen herrscht Ratlosigkeit. Diese Pattsituation gilt es schnellstens zu beenden. Dafür steht die CDU als Regierungspartei in besonderer Verantwortung.“
Ein Gesetzentwurf zur Beitragsabschaffung müsse schnellstens auf den Weg gebracht werden. Konkret fordert der VDGN, die Beiträge rückwirkend zum 1. Januar 2019 abzuschaffen. Maßgeblich dabei muß der Erlaß des Beitragsbescheides sein. Bei-träge, die nach dem Stichtag bereits gezahlt wurden, sind zurückzuerstatten. Nur so lasse sich verhindern, so Christian Gräff, „daß die Kommunen jetzt in Torschlußpanik noch massenhaft Bescheide verschicken oder Baumaßnahmen in die Wege leiten. In dieser Hinsicht sollte Sachsen-Anhalt aus den Erfahrungen anderer Bundesländer lernen, bei denen komplizierte und kaum nachvollziehbare Stichtagsregelungen zu Verwirrung und Verdruß sowohl bei den Bürgern als auch den Verwaltungen führen.“
Volksinitiative macht weiter Druck
Und der Druck auf die Regierungskoalition wird in den kommenden Wochen noch größer werden. Nach Aussage des Landtages haben Mitte Januar für einen erfolgreichen Abschluß der Volksinitiative gegen Straßenausbaubeiträge auf den eingereichten Listen noch mindestens 334 gültige Unterschriften zum Erreichen des Quorums von 30.000 gefehlt. Basieren soll diese Aussage auf einer stichprobenartigen Prüfung mit anschließender Hochrechnung durch die Landtagsverwaltung. So haben es die Freien Wähler als Initiator der Volksinitiative mitgeteilt. Nun sollen die Mängel auf den Unterschriftenlisten behoben werden. So müssen zum Beispiel fehlende Vornamen oder vollständige Adressen von Unterzeichnern ergänzt werden. Neue Unterschriften dürfen jedoch nicht gesammelt werden.
Dazu erklärt Lothar Blaschke, Vizepräsident des VDGN und Vorsitzender des VSSD: „Die Volksinitiative zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Sachsen-Anhalt hat ihr Ziel nur um wenige Stimmen vorerst knapp verfehlt. Unabhängig von einer möglichen Nachbesserung der eingereichten Daten sind die fast 30.000 gültigen Unterschriften jedoch bereits ein starkes Signal gegen diese Zwangsabgabe. Die Parteien im Landtag von Sachsen-Anhalt, insbesondere die CDU sind gehalten, schnellstens ihr Versprechen einzulösen.“
Hagen Ludwig
Der VDGN fordert für das Jahr 2020 konkrete gesetzliche Schritte, um Grundstückseigentümer vor ungerechtfertigten Erschlie-ßungsbeiträgen für einen vermeintlichen Straßenneubau vor ihrer Haustür zu schützen. Für Bauarbeiten an Straßen, die bereits mehr als zehn Jahre für den Verkehr genutzt werden und somit ihre Erschließungsfunktion erfüllen, dürfen Anlieger nicht weiter zur Kasse gebeten werden.
Dazu erklärte VDGN-Vizepräsident Lothar Blaschke: „Im Ringen um die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge konnte 2019 bereits ein entscheidender Durchbruch erzielt werden. Nach Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg und Bayern wird jetzt auch in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thüringen auf diese ungerechte Zwangsabgabe verzichtet. In Sachsen-Anhalt haben sich ebenfalls noch vor Jahresende alle Landtagsfraktionen zu deren Abschaffung bekannt. In Nordrhein-Westfalen werden die Beiträge zumindest halbiert. Bald wird es hoffentlich kein Bundesland mehr geben, in dem die Kommunen gesetzlich dazu verpflichtet werden, Anliegerbeiträge für den Ausbau einer vorhandenen Straße zu kassieren.
Doch aufatmen können die meisten Grundstückseigentümer noch nicht, denn ihnen drohen jetzt meist fünfstellige Erschließungsbeiträge. Laut Bundesbaugesetz werden diese eigentlich nur fällig, wenn eine Straße – zum Beispiel in einem neuen Wohngebiet – erstmals hergestellt wird. Viele Kommunen kassieren diese Beiträge jedoch auch für den weiteren Ausbau von bereits einfach hergerichteten oder unbefestigten Straßen, obwohl diese schon seit Jahrzehnten für den öffentlichen Verkehr genutzt werden und ihre Erschließungsfunktion erfüllen. Zur Begründung heißt es, die endgültige Herstellung sei mit den jüngsten Arbeiten erst abgeschlossen worden. Dieses Schlupfloch gilt es zu stopfen, denn es gibt Raum für Willkür und weitere Rechtsstreitigkeiten.
Deshalb die Forderung des VDGN: Für Straßen, die bereits zehn Jahre für den Verkehr genutzt werden, muß eine Veranlagung nach Erschließungsbeitragsrecht gesetzlich ausgeschlossen werden. Entscheidend ist dabei allein, daß die Straße in ihrer Breite und Beschaffenheit die Zufahrt von Kfz, insbesondere von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr, ermöglicht. Den Schlüssel dazu haben die Gesetzgeber der Bundesländer selbst in der Hand. Eine Öffnungsklausel im Bundesbaugesetz erlaubt es ihnen, das Thema Erschließung von Bundes- in Landesrecht zu überführen.
Danach können die jeweiligen Kommunalabgabengesetze (KAG) der Länder entsprechend verändert werden. Bayern hat das 2019 bereits getan und damit erneut den Weg für die anderen Bundesländer vorgezeichnet. Die müssen nun folgen, wenn sie es ernst meinen mit der Gerechtigkeit bei Kommunalabgaben.“