Journal des VDGN, 4-2019

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Keine halben Sachen

Brandenburg: VDGN fordert, alle offenen Straßenausbaubeiträge konsequent zu beerdigen

 Die rot-rote Regierungskoalition in Brandenburg hat im März ihre Empfehlung verkündet, die Straßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1. Januar 2019 abzuschaffen. Was blieb ihr auch anderes übrig, hatten doch innerhalb von zwei Monaten  mehr als 108.000 Brandenburger ihre Forderung nach Abschaffung der Beiträge im Zuge einer von den Freien Wählern initiierten Volksinitiative bekräftigt. Ein großer Erfolg für alle aktiven VDGN-Mitglieder, die wesentlich zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Noch steht die Gesetzes-änderung durch den Landtag aus, und auch die VDGN-Forderung steht noch im Raum, daß alle Anlieger entlastet werden müssen, die bis zum 1. Januar 2019 noch keinen Beitragsbescheid bekommen haben. Denn die Landesregierung sieht bisher nur eine Beitragsbefreiung für alle Straßenausbaumaßnahmen vor, die bis zum 1. Januar 2019 noch nicht abgeschlossen waren. 

Dazu erklärte der 1. Vizepräsident des VDGN, Peter Ohm: „Ein großer Teil der Betroffenen wird die geplante Stichtagsregelung als höchst ungerecht empfinden. Denn innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist müßten die Gemeinden bis zum 31. Dezember 2022 noch all jene Beiträge für Straßenbaumaßnahmen eintreiben, die in den Jahren 2015 bis 2018 abgeschlossen worden sind. Wenn der Landtag mit der Abschaffung der Straßenbaubeiträge politische Wirkung erzielen will, sollte er konsequent sein und beschließen, alle Anlieger von Beiträgen zu entlasten, die bisher noch keinen Bescheid bekommen haben. Die Kompensation für die ausfallenden Anliegerbeiträge sollten die Gemeinden dann – ähnlich wie in Bayern – aus einem Sonderfonds des Landes erhalten.“ 

Wie groß das Interesse der Betroffenen ist, hat unter anderem eine offene Bürgerversammlung der VDGN-Regionalgruppe Schön-eiche, Woltersdorf zu diesem Thema gezeigt. Dichtgedrängt und zum Teil stehend, haben Teilnehmer dort ihren Unmut zum  Ausdruck gebracht. Insbesondere das Gefühl, ohnmächtig den Entscheidungen der Verwaltung gegenüberzustehen, hinterläßt einen tiefen Vertrauensverlust, einen Riß zwischen Bürger und Verwaltung. Die Angst vor nicht zu schulternden finanziellen Belastungen wurde in den Redebeiträgen immer wieder sehr deutlich. 

Neben der Beitragserhebung für den grundhaften Ausbau von Straßen befürchten viele Anlieger zu Recht enorme finanzielle Belastungen durch sogenannte Erschließungskosten. Auch wenn ein Weg, eine Straße schon über Jahrzehnte von allen Bürgern befahren und genutzt wurde, fallen diese in vielen Gemeinden angekündigten Baumaßnahmen nicht unter die erzwungene Kostenbefreiung der Grundstückseigentümer für den Straßenbau. 

Im Ergebnis der Zusammenkunft wurden den Bürgermeistern beider Gemeinden schrift- liche Forderungen übergeben, die auch für andere Gemeinden richtungsweisend sein können:

- nachweisliche Aussetzung aller Maßnahmen, die eine Beitragspflicht für Straßenausbaumaßnahmen nach sich ziehen, bis zur Neu- fassung der Regelung im Brandenburgischen Kommunalabgabengesetz (KAG);

- rechtlich gesichertes Mitbestimmungsrecht zum minimalen Ausbaustandard von Sandwegen und Anliegerstraßen im Rahmen einer gehobenen Instandhaltung;

- Unterstützung für eine landesweite gesetzliche Regelung zur Begrenzung der Rückwirkung von Erschließungsbeiträgen. „Es können dann keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden, sofern seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage mindestens 15 Jahre vergangen sind.“

Die Verwaltungen aller Gemeinden und Kommunen werden aufgefordert, die Meinungen und Vorschläge ihrer Bürgerinnen und Bürger bei den kommunalen Entscheidungsprozessen viel stärker als bisher zu berücksichtigen. Die Bürgerbeteiligung darf nicht länger nur auf dem Papier vollzogen werden, nur praxisnah schafft sie Transparenz und Vertrauen und beseitigt die Distanz zur Bürgerschaft. Die anwesenden Bürger beider Gemeinden haben deutlich gemacht, daß sie dazu bereit sind.

Lothar Blaschke 

Narretei in Magdeburg, CDU steuert aufs Abstellgleis

Straßenausbaubeiträge werden zum großen Thema für Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt

 Mit Ausnahme der CDU haben sich mittlerweile alle Parteien in Sachsen-Anhalt für die vollständige Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ausgesprochen. Seit dem vergangenen Jahr bemüht man sich um eine auch langfristig tragbare Lösung der Finanzierung von Ausgleichszahlungen für die Kommunen. Sachsen-Anhalt ist keine Insel der Glückseligen, deren Einwohnern es völlig egal sein kann, was um sie herum geschieht. Denn Sachsen-Anhalt ist das letzte Land in den neuen Bundesländern, in dem die Kommunen noch verpflichtet werden, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Bemerkenswert ist, daß auch die CDU-Fraktionen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen für eine Beitragsabschaffung eintreten.  Und auch in Sachsen-Anhalt haben die Koalitionsfraktionen darüber verhandelt, allerdings ohne eine Einigung zu erzielen, weil die CDU die Gespräche abgebrochen hat. Das gleicht einem politischen Selbstmord. Wie will die CDU-Fraktion ihren Kreisvorsitzenden, Bürgermeistern und Kommunalvertretern gegenübertreten? Die Politiker an der Basis haben längst erkannt, daß die Straßenausbaubeiträge „politisch mausetot“ sind, wie das so treffend der Grünen-Landtagsabgeordnete Olaf Meister auf den Punkt gebracht hat.

Je länger in Sachsen-Anhalt auf Zeit gespielt wird, desto mehr Bescheide können die  Grundstückseigentümer im Extremfall noch in Existenznöte bringen. Sachsen-Anhalt hat keine Zeit zu verlieren. Ein aus der Zeit gefallenes Gesetz, welches nach Auffassung des VDGN auch gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstößt, muß und kann geändert werden – juristisch über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, politisch durch die Entscheidungsträger im jeweiligen Landesparlament.

Der VDGN erhebt die Forderung, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in Sachsen-Anhalt rückwirkend zum 1. Januar 2019 abzuschaffen. Das würde Sicherheit für die potentiell betroffenen Bürger wie für die Kommunen schaffen. Vor allem würde es ein Wettrennen zur Abrechnung bereits begonnener oder gerade abgeschlossener Baumaßnahmen verhindern. Für nach alter Gesetzeslage noch abrechenbare bzw. künftige Maßnahmen des kommunalen Straßenausbaus ist den Kommunen ein Ausgleich aus Landesmitteln zu gewähren.

Bürgerprotest braucht eine Plattform, um gehört zu werden. Aktivisten in Köthen, Ballenstedt, Bitterfeld-Wolfen, Weißenfels, Halle, Haldensleben, Wernigerode, Lutherstadt Wittenberg, Kalbe, Staßfurt und weiteren Orten wollen sich deshalb zusammenschließen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Der VDGN hat gemeinsam mit dem Bund der Steuerzahler die Aufgabe übernommen, alle Initiativen des Landes zusammenzuführen. 

Ein erstes Ziel besteht darin, die Volksinitiative der Freien Wähler mit mindestens 30.000 Stimmen zum Erfolg zu führen. Unterschriftslisten sind auch über die Internet-adresse des VDGN abrufbar. 

Der VDGN unterstützt alle Betroffenen, die sich nicht widerstandslos um ihre Ersparnisse oder gar die Existenz bringen lassen wollen, nur weil Politiker an einem Gesetz festhalten, das seinen Ursprung im Jahr 1893 hat und mit dem heutigen Gebrauch von öffentlichen Straßen rein gar nichts mehr zu tun hat.

Proteste werden immer lauter
Auch deshalb hat die TV-Sendung MDR-Umschau am 2. April erneut das Thema Straßenausbaubeiträge in Sachsen-Anhalt aufgegriffen. Das Umschau-Team war bei Betroffenen vor Ort in Wörlitz, Ballenstedt und Pößneck (Thüringen). Gesprächspartner waren Anlieger, Vertreter des VDGN und der Bürgerallianz sowie Kommunalpolitiker.

In Ballenstedt sollen Anlieger der  Rudolf-Virchow-Straße jetzt bis zu 18.000 Euro für den Straßenausbau zahlen, obwohl sich 90 Prozent der Betroffenen für den Erhalt ihrer ehrwürdigen Pflasterstraße und lediglich eine punktuelle Ausbesserung der Schadstellen ausgesprochen hatten. Bürgermeister Michael Knoppik erklärte gegenüber dem MDR, daß die Straße sanierungsbedürftig war, er aber auch unbestritten den Unmut verschiedener Anwohner auf Grund der nicht unerheblichen finanziellen Belastung verstehe. Er selbst könne sich eine Abschaffung der Beiträge vorstellen, wenn eine Alternativfinanzierung deren Ausfall kompensiere.

Straßenausbaubeitragsgegner aus Althaldensleben haben ihren Protest am 4. April lautstark bis vor den Landtag in Magdeburg gebracht.

Ein gut gewähltes Datum, fand an diesem Tag doch die turnusmäßige Sitzung des Landtages statt. Die Fraktionen der SPD, der Linken und der AfD nutzten die Gelegenheit, den Betroffenen und dem VDGN ihre Unterstützung beim Kampf um die Beitragsabschaffung zuzusichern. Von der CDU fand lediglich ein Abgeordneter den Weg zu den Demonstranten. Der Innenminister und Landesvorsitzende der CDU, Holger Stahlknecht, war auch durch laute Rufe nicht dazu zu bewegen, sich zu erklären. 

Den Wörlitzern wurden vor Jahren die wiederkehrenden Beiträge als kleineres Übel schmackhaft gemacht. Das ging solange gut, bis auch der letzte schmerzlich begreifen mußte, welcher Trugschluß dahintersteckt. Jahraus, jahrein wiederkehrende und steigende Beiträge brachten auch in Oranienbaum-Wörlitz das Faß zum Überlaufen. Der VDGN hat im Auftrag der betroffenen Prozeßgemeinschaften inzwischen mit einem dritten Musterverfahren Klage gegen die Kommune erhoben. Um die Kräfte zu bündeln, wurde am 26. März die „Bürgerinitiative gegen Straßenausbaubeiträge in Oranienbaum- Wörlitz und Sachsen-Anhalt“ gegründet.

Lothar Blaschke 

90 Prozent gespart

Straßenausbaubeiträge in Uder: Erfolg für VDGN-Prozeßgemeinschaft

Ein großer Erfolg für die vom VDGN organisierte Prozeßgemeinschaft von Grundstückseigentümern aus dem Städtchen Uder im thüringischen Eichsfeld: Bei der mündlichen Verhandlung zu einem Musterverfahren vor dem Verwaltungsgericht Weimar am 15. Februar schlossen die Beteiligten einen Vergleich, nach dem die Teilnehmer der Prozeßgemeinschaft 90 Prozent der von der Kommune erhobenen Straßenausbaubeiträge zurückerhalten. Alle Verfahrens- und Verwaltungskosten trägt die beklagte Gemeinde. Das Musterverfahren, in dem VDGN-Vertrauensanwalt Dr. Volker Hennig die Grundstückseigentümer aus Uder vertrat, war im Einverständnis mit dem Bürgermeister der Kommune geführt worden. Der Vergleich ist rechtskräftig, da auch die Gemeindevertretung dem zugestimmt hat.

Der Erfolg in diesem Verfahren beweist erneut: Eine gemeinschaftliche Klage stellt die beste Alternative dar, um die Rechtmäßigkeit von Beitragsbescheiden gerichtlich überprüfen zu lassen. Mit einem wesentlich minimierten Kostenrisiko, auch auf Seiten der Gemeinde, mit dem Wissen der Experten des VDGN und einem versierten Rechtsanwalt an ihrer Seite bestehen für die in einer Prozeßgemeinschaft zusammengeschlossenen Kläger deutlich bessere Erfolgsaussichten als in individuellen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten. Allerdings braucht ein solches Verfahren die Zustimmung der Gegenseite, also der Gemeinde oder des Zweckverbandes. In Uder hat sich der Bürgermeister aufgeschlossen gegenüber den Bürgerinteressen gezeigt. 

Musterverfahren sind nicht nur im Interesse der Bürger, sondern auch im Interesse der Gemeinde (Aufwand- und Kostenersparnis). Dieser Erkenntnis hat sich auch die Gemeinde Uder nicht verschlossen.

 

L. B.