Journal des VDGN, 1-2019

Straßenausbaubeiträge vor dem Aus

Brandenburg: Das Volk hat abgestimmt, Rot-Rot lenkt ein. VDGN fordert Moratorium

Auch in Brandenburg stehen die Straßenausbaubeiträge jetzt vor dem Aus. Nach der CDU und der AfD haben sich Anfang Januar auch die beiden regierenden Koalitionspartner SPD und Linke für deren Abschaffung ausgesprochen. Es gehe nur noch um das Wie und nicht mehr um das Ob, hieß es plötzlich aus dem Lager von Rot-Rot. Es war vor allem der zunehmende Druck der Bürger und ihrer Interessenvertreter, der zu diesem plötzlichen Umschwenken geführt hat.

Kurz nach dem Jahreswechsel hatten sich die Ereignisse überschlagen. Die Volksinitiative „Straßenausbaubeiträge abschaffen!“, initiiert von BVB/Freie Wähler und unterstützt vom VDGN ebenso wie vom Bund der Steuerzahler, steuerte in ein großartiges Finale. Schließlich wurden am 8. Januar 108.333 Unterschriften an die Präsidentin des Landtages, Britta Stark, in Potsdam übergeben. Kurz vor der Übergabe der Unterschriften wurde zudem das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Märkischen Allgemeinen (FAZ) bekannt, wonach 84 Prozent der Brandenburger für die Abschaffung dieser Anlieger-Abgaben plädieren. Die diesjährigen Landtagswahlen vor Augen, konnte Rot-Rot da nur noch die Reißleine ziehen.

Dazu erklärte VDGN-Vizepräsident Lothar Blaschke: „Bereits im September 2015 lag dem Landtag in Potsdam der erste Entwurf von BVB/Freie Wähler für eine entsprechende Veränderung der Kommunalabgabengesetzes vor. Gefordert wurde unter anderem: Kein beitragspflichtiger Straßenausbau mehr ohne Zustimmung der Anwohner. SPD, Linke und Grüne stimmten geschlossen und vollständig dagegen.

Wieviel Ärger, Existenzängste und Sorgen wären in den vergangenen drei Jahren zu verhindern gewesen, wenn die Landtagsmehrheit damals schon die Zeichen erkannt hätte. Als Signal kam bei den Bürgern an: Die Politik nimmt unsere Probleme nicht ernst. Jetzt hat das Volk abgestimmt. Doch es gilt, den Druck aufrechtzuerhalten, denn eine Willensbekundung ist noch kein Gesetz. Erfahrungen aus anderen Bundesländern, wie etwa in Thüringen zeigen, welche Hürden auf diesem Weg noch aufgebaut werden können.“

Der VDGN forderte Rot-Rot deshalb auf, jetzt schnell unumkehrbare Fakten zu schaffen, um zu zeigen, daß man es ernst meint mit dem Ende der Straßenausbaubeiträge. Ein sofortiges landesweites Moratorium – das heißt, ein Aussetzen der Beitragserhebung bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes – wäre ein erster notwendiger Schritt. Denn die Verunsicherung in den Kommunen ist groß. Viele Gemeinden haben bereits beschlossen, vorerst keine Straßenausbauprojekte mehr auf den Weg zu bringen, weil dies gegenüber den Bürgern nicht mehr zu verantworten ist.

Fest steht: Innerhalb der nächsten vier Monate, also bis Mitte Mai, muß sich der Landtag mit den Forderungen der Bürgerinitiative beschäftigen. Würde sie dort mehrheitlich abgelehnt, käme es zu einem Volksbegehren. Dafür wären 80.000 Unterschriften notwendig, was wohl keine Hürde sein dürfte. Im Ergebnis würde dann ein Volksentscheid stattfinden.

Wahrscheinlicher ist jedoch, daß der Landtag die Volksinitiative annimmt. Dann kommt es darauf an, schnell Nägel mit Köpfen zu machen und eine entsprechende Änderung des Kommunalabgabengesetzes auf den Weg zu bringen. Und bitte keine Ablenkungsmanöver mehr. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die erfolgreiche Volksinitiative gegen Nachtflüge am BER. Im Februar 2013 war sie überraschend von allen Landtagsfraktionen angenommen worden. Doch zu einem erweiterten Nachtflugverbot kam es trotzdem nicht, weil die beiden anderen Flughafengesellschafter, Berlin und der Bund, abgelehnt haben.

Seitdem steht der Vorwurf im Raum: Die brandenburgische Landesregierung habe das Veto der Mitgesellschafter von vornherein einkalkuliert und mit ihrem formalen Ja zur Volksinitiative den Weg zum Volksentscheid bewußt abgeschnitten. Auch deshalb, so die Forderung des VDGN, müssen noch vor der Landtagswahl am 1. September diesen Jahres unumkehrbare Fakten in Richtung Beitragsabschaffung geschaffen werden.

Hagen Ludwig

Große Verunsicherung bei den Kommunen

VDGN fordert klare Übergangsregeln bis zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge

Es ist noch nicht lange her, da schienen die Straßenausbaubeiträge in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen trotz wachsender Proteste in Beton gegossen.

Das hat sich in den vergangenen Monaten drastisch geändert. Von der Ostsee bis zum Rennsteig stehen die von den Landespolitikern verordneten Zwangsbeiträge jetzt vor dem endgültigen Aus. Dafür hat der VDGN lange gekämpft. Doch noch ist nicht alles in Sack und Tüten. Vorerst sind es in allen vier Ländern politische Willensbekundungen, die Beiträge abzuschaffen. Angesichts des Schwebezustands herrscht in vielen Kommunen jetzt Unsicherheit, weil klare Aussagen von den Gesetzgebern hinsichtlich der Übergangsperiode fehlen. Viele Kommunen haben in Eigenregie beschlossen, vorerst keine Straßenausbauprojekte mehr anzugehen oder Bescheide herauszuschicken. Doch sie vermissen dafür die Rückendeckung ihrer Landesregierungen. Ohne die vom VDGN geforderten landesweiten Moratorien, die alle schwebenden Verfahren bis zur Gesetzesänderung ruhen lassen, ist jede Kommune auf sich selbst gestellt. Ein unhaltbarer Zustand.

Beispiel Mecklenburg-Vorpommern: Im November vergangenen Jahres erklärte die rot-schwarze Koalition in Schwerin ihren Willen, die Straßenausbaubeiträge spätestens mit Wirkung vom 1. Januar 2020 abzuschaffen. Festlegungen zur Übergangszeit wurden nicht getroffen. Es sei jeder Gemeinde selbst überlassen, ob sie noch Beitragsbescheide verschicke oder nicht, hieß es bisher aus dem Innenministerium. Einige Städte wie etwa Schwerin legten daraufhin weitere Straßenausbauprojekte auf Eis. Rostock plant einen entsprechenden Stadtratsbeschluß für Ende Januar. Andere Kommunen kassieren weiter. Mitte Januar einigte sich nun die Regierungskoalition in Schwerin darauf, daß Beiträge für Baumaßnahmen, die ab dem 1. Januar 2018 begonnen wurden, dem Land von den Gemeinden in Rechnung gestellt werden sollen – und nicht mehr den Anliegern. Eine Übergangsregelung, die nach Auffassung des VDGN unzureichend ist (siehe Seite 5).

In Thüringen hat sich die rot-rot-grüne Koalition schon im Oktober vergangenen Jahres politisch darauf festgelegt, die Stra-ßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1. Januar 2019 abzuschaffen. Das entsprechende Gesetz soll, wie berichtet, Ende März in den Landtag eingebracht und noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Allerdings: Ein von der Koalition in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten dazu soll laut neuesten Meldungen nun erst Ende Februar vorliegen. Ursprünglich hatte man mit Mitte Januar gerechnet.

Betroffene Bürger und auch die Gemeinden befürchten nun weitere Verzögerungen bei der angekündigten Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und eine anhaltende Verunsicherung. Viele Gemeinden verschickten bis zum Jahresende schnell noch Beitragsbescheide. Zum Anfang des Jahres empfahl zumindest der Gemeinde- und Städtebund vorerst keine Bescheide mehr zu verschicken.

In Sachsen-Anhalt haben sich mittlerweile alle im Landtag vertretenen Parteien – mit Ausnahme der CDU – grundsätzlich für eine Beitragsabschaffung ausgesprochen. Diskutiert wird noch über die Vorgehensweise. Die SPD etwa hat für Ende Januar Bürger-initiativen und Interessenvertreter von Betroffenen wie den VDGN zu einer Gesprächsrunde eingeladen. Auch in diesem Bundesland reagieren die Kommunen angesichts der Ungewißheit unterschiedlich. So hat der Stadtrat Haldensleben beschlossen, bis zu einer Entscheidung des Landtages Sachsen-Anhalt vorerst keine beitragsfähigen Stra-ßenausbauten in der Stadt vorzunehmen. In Osterburg und Zerbst gab es mehrheitliche Stadtratsbeschlüsse, sich für die landesweite Abschaffung der Straßenausbaubeiträge einzusetzen.

In Bernburg verkündete die Stadtverwaltung angesichts der Situation sichtlich erleichtert, daß 2019 für den allergrößten Teil der Straßenbauprojekte nach detaillierter Prüfung keine Ausbaubeiträge fällig werden.

Ähnliche Probleme gibt es auch in anderen Bundesländern. Beispiel Nordrhein-Westfalen: Ein von der Oppositionsfraktion SPD vorgelegter Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist dort abgeschmettert worden. Allerdings hatte Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) zuvor bereits im September 2018 öffentlich die „Abschaffung der Straßenausbaubeiträge bei Kompensation für die Kommunen durch das Land“ gefordert. In der Folge hätten zahlreiche Stadt- und Gemeinderäte in ganz NRW bereits Beschlüsse gefaßt, bis auf weiteres keine neuen Straßenbaumaßnahmen zu beginnen, was nun einen faktischen Investitionsstop in die kommunale Straßeninfrastruktur bedeute, kritisiert die SPD. Und in Hessen machen jetzt auch viele Bürgermeister mobil. Dort schiebe man den Kommunen den Schwarzen Peter zu, indem man ihnen von Seiten des Landes freistelle, Straßenausbaubeiträge zu erheben oder auch nicht, so ihre Kritik.

Um „den Bürgerfrieden wiederherzustellen“, müsse die Regierung entweder zusätzliche Mittel für den kommunalen Straßenausbau zur Verfügung stellen – oder aber eine eindeutige gesetzliche Regelung treffen.

Der Ausweg, so zeigt sich einmal mehr, kann nur die vom VDGN geforderte vollständige Abschaffung der Straßenausbaubeiträge sein.

Hagen Ludwig