Journal des VDGN, 2/3-2019

Jetzt zählen nur noch Fakten

Genug der Willensbekundungen zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge

Noch gibt es nur vier Bundesländer, in denen keine Straßenausbaubeiträge von den Anliegern kassiert werden: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Hamburg. Doch 2019 – so viel steht schon fest – wird bundesweit das Jahr des Umbruchs. In einigen Bundesländern vollzieht sich diese Entwicklung jetzt dammbruchartig, andernorts – dort, wo wie in Thüringen bereits schon alles geklärt schien – wird immer wieder Sand ins Getriebe gestreut. Den Protagonisten der Straßenausbaubeiträge fällt es jedoch immer schwerer, Argumente für die finanzielle Beteiligung der Anlieger aus dem Ärmel zu zaubern. Straßenausbaubeiträge sind zwar hinsichtlich der Gesetzgebung Ländersache. Der Widerstand jedoch ist bundesweit. Denn natürlich fragen sich die Betroffenen, warum bei ihnen zum Beispiel die Christ- oder die Sozialdemokraten krampfhaft an den Beiträgen festhalten, wenn deren Parteifreunde im Nachbarland mit aller Vehemenz dagegen kämpfen. Das haben nun auch die Linken in Brandenburg eingesehen und eingelenkt. Sie waren bundesweit der letzte Landesverband ihrer Partei, der bei der Beitragsabschaffung noch auf die Bremse getreten hat.

Brandenburg: Abschaffung noch vor der Landtagswahl
In Brandenburg gilt es jetzt, die Koalitionsfraktionen beim Wort zu nehmen und nicht mit dem Druck nachzulassen. SPD und Linke haben am 15. Februar 2019 nach getrennten Klausurtagungen der Fraktionen angekündigt, die Volksinitiative zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge im April im Landtag Brandenburg anzunehmen. Gleichzeitig soll die Landesregierung einen entsprechenden Entwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vorlegen. Ziel sei, die Gesetzes-änderung noch in dieser Legislaturperiode, das heißt vor den nächsten Landtagswahlen am 1. September, zu beschließen.

Dennoch, es gilt wachsam zu bleiben. So hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) noch einmal kurz vor der der Entscheidung der Koalitionsspitzen deutlich gemacht, daß er in der Sache wenig Verständnis für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zeigt. Laut Presseberichten argumentierte Woidke dabei mit dem Beispiel seines eigenen Wohngrundstücks. Das liege am Ende einer Sackgasse, und er, Woidke, sei quasi der einzige Nutzer dieser Straße. Sei es da richtig, die Allgemeinheit für die Straße zahlen zu lassen? Ein untaugliches Beispiel, das wohl nicht mal mehr in der eigenen Fraktion zog. Dort hat man erkannt, daß es wenig zielführend ist, den Wahlkampf nicht nur gegen die politischen Wettbewerber, sondern auch gegen eine breite Volksinitiative zu führen.

Offen gelassen haben die Koalitionsspitzen allerdings noch die Frage der rückwirkenden Abschaffung. Nach Auffassung des VDGN ein zentraler Punkt, denn nur mit einer solchen Rückwirkung kann verhindert werden, daß die Kommunen noch kurz vor Torschluß bis zum Ende dieses Jahres die letzten Beiträge eintreiben. Das wird der VDGN auf einer für den 7. März geplanten Anhörung – also nach Drucklegung dieses Heftes – deutlich zur Sprache bringen.

Thüringen: Keine Zeit mehr für Zauderer und Bedenkenträger
Wie zäh es sich gestalten kann, wenn es darum geht, den einmütig erklärten Willen zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge umzusetzen, zeigt das Beispiel Thüringen. Bereits im Oktober des vergangenen Jahres hatte Rot-Rot-Grün dort angekündigt, die Beiträge rückwirkend zum 1. Januar 2019 definitiv abzuschaffen. Ein Ziel, das auch bei der Opposition unstrittig war. Allerdings, so hieß es, müßten für den Start des Gesetzgebungsverfahrens noch die Ergebnisse eines Gutachtens abgewartet werden.

Die Expertise allerdings läßt auf sich warten, und plötzlich ist es Unionsfraktionschef Mike Mohring, der für Aufregung sorgt und angesichts der Verzögerungen den Stichtag in Frage stellt. Hier wird mit dem Vertrauen der Bürger gespielt. Sie haben über Monate Willensbekundungen gehört und wollen nun endlich Fakten sehen. Am 27. Oktober 2019 wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt.

Sachsen-Anhalt: Wirbel vor den Kommunalwahlen
In Sachsen-Anhalt finden bereits am 26. Mai die Kommunalwahlen statt – ein Termin, der seine Schatten voraus wirft. Mit Ausnahme der der CDU haben sich alle Landtagsfraktionen mittlerweile zur vollständigen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge bekannt. Doch CDU-Landesvorsitzender Holger Stahlknecht verspürt zunehmend Druck aus den eigenen Reihen.

An der Basis spüren die Christdemokraten, daß mit einer solchen Verweigerungshaltung bei den Wählern nichts zu holen sein wird. So haben sich mehrere Kreisvorsitzende in dieser Frage bereits offen gegen Stahlknecht gestellt. Fakt ist: In Sachsen-Anhalt werden die Beiträge ohne weiteren Druck von unten nicht kippen. Die derzeit laufende Volksinitiative zur Beitragsabschaffung spielt dabei eine wichtige Rolle.

Hessen: Beitragsabschaffung erneut Thema im Innenausschuß
In Hessen sind es die SPD und die Linken, die sich mit aller Entschlossenheit für die vollständige Beitragsabschaffung einsetzen. Ihre Vorschläge zur Gesetzesänderung liegen auf dem Tisch und werden im Mai im Innenausschuß des Landtages erneut zum Thema einer Anhörung, zu der auch der VDGN geladen ist. Indes ruht sich die schwarz-grüne Koalition noch immer darauf aus, daß sie im Jahr 2018 allen Kommunen freigestellt hat, ob sie Beiträge erheben oder nicht. Gut 40 Städte und Gemeinden haben bisher davon Gebrauch gemacht. 26 Kommunen, darunter Frankfurt und Wiesbaden, hatten schon vor der Reform keine Straßenausbaubeiträge erhoben. In der Mehrheit der insgesamt 423 Kommunen können also noch Beiträge eingezogen werden. Die Proteste dagegen werden immer breiter. Dem Bündnis „Straßenbeitragsfreies Hessen“ gehören mittlerweile über 60 Bürgerinitiativen an.

Niedersachsen: Erleichterungen für Bürger nur ein Zwischenschritt
Auch in Niedersachsen ist den Kommunen die Beitragserhebung freigestellt. Mit der vollständigen Abschaffung tut sich die dort regierende Große Koalition weiter schwer.

Auf dem vierten landesweiten Treffen der Bürgerinitiativen gegen Straßenausbaubeiträge in Hannover haben Koalitionsvertreter zumindest Erleichterungen für die betroffenen Bürger angekündigt, wie auf der Website der Adendorfer Bürgerinitiative berichtet wird. Dazu gehören unter anderem eine Nachweispflicht der Gemeinden über die dauerhafte Unterhaltung und Reparatur der Straßen und eine anteilige Anrechnung der Fördermittel des Landes auf die Anliegerbeiträge. Zudem sollen die Kommunen künftig selbst über die Höhe der Beitragssätze entscheiden können. Die Arbeit der Bürgerinitiativen zeigt also Wirkung auf Landesebene.

Dazu erklärten Heiko Malinski und Joachim Dreilich vom Koordinatorenteam des Niedersächsischen Bündnisses gegen Stra-ßenausbaubeiträge (NBgS): „Jede mögliche Erleichterung für die Bürger ist ein wichtiger Zwischenschritt. Trotzdem bleibt unsere Forderung nach ersatzloser Streichung der STRABS bestehen. Infrastrukturerhaltungen müssen durch allgemeines Steueraufkommen finanziert werden.“

NRW: Schon 328.944 Unterschriften gegen Straßenausbaubeiträge
In Nordrhein-Westfalen haben inzwischen 328.944 Menschen für die Volksinitiative „Straßenbaubeitrag abschaffen“ unterschrieben. Das teilt der Bund Steuerzahler NRW in einer Pressemitteilung vom 22. Februar mit. Eine gewaltige Zahl, doch das Anliegen finde bei der schwarz-gelben Landesregierung allerdings bisher kein Gehör, heißt es. Ein Gesetzentwurf zur Beitragsabschaffung aus der Feder der SPD wurde abgeschmettert. Durch ihre starre Haltung begebe sich die CDU zunehmend in die Isolation, so der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler (BdSt) NRW, Heinz Wirz. Er blickt dabei auch ins Nachbarland Rheinland-Pfalz, wo die CDU erkannt habe, daß die Straßenbaubeiträge einen hohen Verwaltungsaufwand erzeugen, zu zahlreichen Rechtsstreiten füh-ren und eine erhebliche finanzielle Belastung der Bürger darstellen.

Rheinland-Pfalz: CDU mit guten Argumenten gegen SAB
Tatsächlich stehen in Rheinland-Pfalz die Vorzeichen im Vergleich mit NRW genau anders herum. Wie die CDU-Landtagsfraktion hat sich dort jetzt auch der Landesvorstand einstimmig für Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ausgesprochen. „Straßenausbaubeiträge sorgen bei Bürgerinnen und Bürgern regelmäßig für große Verärgerung. Gleichzeitig stellen sie die kommunalen Räte und Verwaltungen vor schwierige Herausforderungen“, erklärte Generalsekretär Christoph Gensch.

Die CDU sitzt in Rheinland-Pfalz allerdings auf der Oppositionsbank. Die SPD-geführte Ampelkoalition bleibt bisher noch hart. Erst kürzlich hat der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) die umstrittenen Straßenausbaubeiträge als angeblich gerecht verteidigt. Sie würden diejenigen belasten, deren Grundstücke durch den Ausbau einer Straße auch Wertsteigerungen erführen, sagte der Minister im Landtag in Mainz. Ein abgedroschenes Argument, daß vom VDGN in einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht bis ins Detail ad absurdum gestellt wird.

Hagen Ludwig