Journal des VDGN, 7/8-2020

Gallisches Dorf in Hessen

Niederaula beschließt Rückzahlung von Straßenausbaubeiträgen

Die noch immer bestehende grundsätzliche Pflicht der Hessen, für Straßenausbaumaßnahmen Beiträge zu zahlen, untergräbt das Vertrauen in die Landespolitik. Welche Arroganz der schwarz-grünen Regierungskoalition in Wiesbaden, die trotz der Empfehlung des Direktors des Hessischen Städte- und Gemeindebundes und des leidenschaftlichen Appells zahlreicher Bürgermeister, die Straßenbeiträge im Kommunalabgabengesetz abzuschaffen und die Einnahmeausfälle aus Landesmitteln auszugleichen, weiter ignorieren. Nur finanzstarken Gemeinden ist es möglich, aus eigenen Mitteln den Bürger zu entlasten. 143 von insgesamt 423 Städten und Gemeinden haben bisher diese Kann-Regelung genutzt und verzichten jetzt auf Straßenausbaubeiträge. Gerade und auch wegen der Corona-Pandemie müssen vom Land alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um den Bürger und die Gemeinden zu unterstützen. Die Landespolitik erhält damit die Chance, abseits von Parteiengezänk und Fraktionszwang, das Vertrauen der breiten Öffentlichkeit zurückzugewinnen.

Niederaula, eine kleine Marktgemeinde mit knapp 6.000 Einwohnern, liegt in Ost-hessen, in der Nähe von Bad Hersfeld und hat ab 1. Januar 2020 die Abschaffung der Beitragspflicht beschlossen.

Es geht nun alles seinen Gang, möchte man meinen, in dem beschaulichen Dorf mit acht Ortsteilen. Die Abschaffung der Beitragspflicht war kein Selbstläufer, und auch die nächsten Wochen sind weiter von harten Auseinandersetzungen geprägt. Dazu aber später mehr. In Niederaula hat man sehr schnell erfahren müssen, daß in 2012/2013 vom Bürgermeister mit der Mehrheit durch die SPD-Gemeindevertreter eine Politik durchgeführt werden soll, die in unverantwortlicher Weise die Bürgerinnen und Bürger belastet und zudem noch spaltet. Ein einzelner Bürger in Niederaula war ohne Chance, wenn solche Vorhaben umgesetzt werden sollten. Protest und die Gegenwehr werden erst dann gehört, wenn eine Gruppe in die Öffentlichkeit tritt. Den von Straßenausbaubeiträgen Betroffenen in Niederaula ist es gelungen, durch den Vorstand/Sprecherrat einer Bürgerinitiative mit Sachverstand, taktischem Gespür, Beharrlichkeit und wenn erforderlich mit hartnäckiger Sturheit erfolgreich und öffentlichkeitswirksam Gegenwehr zu leisten. Sie wurden seit 2014 vom VDGN unterstützt.

Mit 16 Ja- zu acht Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen beschloß die Niederaulaer Gemeindevertretung am 28. Februar 2020 den Erlaß einer Rückzahlungssatzung für bisher erhobene Straßenausbaubeiträge. Man bewege sich auf „ganz dünnem Eis“ (Zitat: Bürgermeister Thomas Rohrbach, parteilos), eine Rückzahlungssatzung „dürfte gegen die Beitragserhebungspflicht und gegen geltendes Ortsrecht verstoßen“ (Hessisches Ministerium des Innern und für Sport), so lauteten erste trotzige Reaktionen.

Doch die ehrenamtlichen Mandatsträger wissen genau, was sie tun, auch wenn das Bürgermeister Rohrbach nicht wahrhaben will. Er hat in den letzten Jahren regelmäßig per Widerspruch und Beanstandung alle Ansätze zu diesem Thema blockiert bzw. verhindert. „Es gibt keine Rechtsgrundlage, die eine solche Satzung verbietet, aber auch keine, die diese ausdrücklich erlaubt“, sagte der Vorsitzende der CDU-Faktion, Mirko Siewert. „Jede Kommune hat nach Paragraph 5 der Hessischen Gemeindeordnung das Recht, Satzungen zu erlassen, um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“, so der Sprecher der Wählergruppe Bürgerliste Niederaula e.V. (BLN), Holger Grötzner.

Ein Schlupfloch, das es „den Galliern“ aus Osthessen möglich macht, den Dorffrieden wiederherzustellen und ein Zeichen für ganz Hessen zu setzen?