Noch immer drücken die Straßenausbaubeiträge schwer auf den Schultern der Grund-stückseigentümer in Sachsen-Anhalt. Ohne das Recht auf Einspruch oder tatsächliche Mitgestaltung mußten sie bisher tausende Euro zahlen, wenn die Straßen vor ihrer Tür oder in ihrem Wohngebiet auf Beschluß der Gemeinde erneuert oder erweitert wurden. Noch im Dezember soll nun endlich die Abschaffung dieser Zwangsabgabe vom Landtag in Magdeburg beschlossen werden. Sachsen-Anhalt wäre damit das achte Bundesland, das diesen folgerichtigen Schritt geht. Auf dem Tisch liegen zwei entsprechende Gesetzentwürfe, zum einen eingebracht von der schwarz-rot-grünen Regierungskoalition und zum anderen von den Linken.
Der VDGN, der gemeinsam mit vielen Bürgerinitiativen seit Jahren für die Abschaffung kämpft, hat dazu in einer offiziellen Stellung-nahme erklärt: „Erstmals wird im Land Sachsen-Anhalt die komplette Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Aussicht gestellt. Alle bisherigen Versuche, das Kommunale Abgabengesetz hinsichtlich der Straßenausbaubeiträge zu entschärfen und vermeintlich bürgerfreundlicher zu gestalten, mußten scheitern. Scheinlösungen, wie beispielhaft der Vorschlag, unverhältnismäßig hart betroffene Beitragszahler zu entlasten, haben wir in allen Gesprächen und Stellungnahmen der letzten Jahre unsere Zustimmung verweigert und konsequent die nun beabsichtigte komplette Abschaffung der Straßenausbaubeiträge gefordert.
Viel zu viel Zeit ist seither vergangen. Monate und Jahre, in denen viele Bürger des Landes auf der Grundlage eines völlig veralteten Gesetzes und einer angeblichen und nie nachgewiesenen Vorteilslage zu Beitragszahlungen genötigt wurden. Nicht nur in Einzelfällen waren diese Beitragsforderungen existenzgefährdend.
Bei aller Anerkennung der Arbeit in den Fraktionen darf nicht vergessen werden, daß die Bürger des Landes, mit entscheidender Unterstützung der in der Allianz gegen Stra-ßenausbaubeiträge in Sachsen-Anhalt zusammengefaßten Bürgerinitiativen, diese Gesetzesentwürfe erzwungen haben.“
Kritisch bewertet der VDGN vor allem den im Gesetzentwurf der Koalition vorgesehenen Stichtag. Dieser sieht vor, daß nur für Baumaßnahmen, die nach dem 31. Januar 2019 beendet wurden oder noch werden, keine Beiträge mehr erhoben werden. Das heißt, daß die Anlieger, deren Straße in den Jahre 2017 bis 2019 fertiggestellt wurde, im Zuge der vierjährigen Verjährungsfrist noch einen Beitragsbescheid bekommen können. Es sei denn, die Kommunen verzichten darauf und zahlen den Betrag aus ihrem Gemeindehaushalt.
Der VDGN plädiert deshalb dafür, wie von den Linken vorgeschlagen, den 31. Dezember 2018 als Stichtag anzuwenden. Alle Bescheide, die nach diesem Stichtag festgesetzt wurden, sollten aufgehoben werden. Diese Regelung wäre für die Betroffenen transparent und nachvollziehbar. Demgegenüber heißt es im Gesetzentwurf der Koalition, maßgebend sei das Entstehen der Beitragspflicht, das heißt, der Zeitpunkt, an dem die geprüfte Schlußrechnung für die Baumaßnahme vorliegt. Für den Beitragszahler ist das schwer zu überprüfen. „Solange die Möglichkeit einer Manipulation im Raum steht, wird diese unweigerlich zu weiteren Widerspruchsverfahren und juristischen Auseinandersetzungen führen. Und gerade dies gilt es zu vermeiden“, heißt es dazu in der Stellungnahme des VDGN.
Aus den Erfahrungen anderer Bundesländer, die bereits die Abschaffung der Beitragspflicht beschlossen haben, weist der VDGN zudem auf die Problematik der „Scheinerschließung“ hin. Dabei handelt es sich um Ausbaumaßnahmen an Straßen, bei denen in der Regel einzelne Bestandteile fehlen bzw. nicht nach heute gültigen Standards hergestellt worden sind, die dennoch als ortsüblich erschlossene Verkehrsanlagen seit Jahrzehnten für den öffentlichen Verkehr genutzt werden. Das Land Sachsen-Anhalt sollte hier von seiner Kompetenz Gebrauch machen, das Erschließungsbeitragsrecht landesgesetzlich zu regeln.
Konkret fordert der VDGN dabei die Einführung der Zehn-Jahres-Regel. Das heißt: Für Straßen, die bereits länger als zehn Jahre für den Verkehr genutzt werden, dürfen keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden. Das gilt für alle Straßen, die so beschaffen sind, daß die Anliegergrundstücke mit Kraftfahrzeugen – speziell auch den Fahrzeugen von Polizei, Rettungsdiensten, Feuerwehr sowie Ver- und Entsorgungsdiensten – erreicht werden können.