38.000 Unterschriften für mehr Gerechtigkeit, für mehr Bürgernähe und für eine Entlastung der Anwohner, die von Straßenausbaubeiträgen betroffen sind. Die Freien Wähler in Sachsen-Anhalt haben die Volksinitiative im vergangenen Jahr gestartet mit dem Ziel, den Druck auf die Politik weiter zu erhöhen. Denn Sachsen-Anhalt ist eines der letzten Bundesländer, in dem diese Beiträge noch zwangsweise erhoben werden.
Bürger aus allen Landesteilen haben mit ihrer Unterschrift ihren Zorn und ihr Unverständnis zum Ausdruck gebracht, weiterhin und immer wieder als Opfer für den dauerhaften Erhalt des Allgemeingutes Straße in Existenznöte getrieben zu werden. Durch die Bündelung der Bürgerinitiativen und mit Unterstützung durch den VDGN hat die Volksinitiative in den letzten Wochen und Monaten einen enormen Zuwachs genommen. Nur so konnten wir gemeinsam erreichen, daß wie geplant noch im Jahr 2019 das erforderliche Quorum erreicht und übertroffen wurde.
Am 4. Dezember konnten etwas mehr als 38.000 Unterschriften in Magdeburg an die Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch übergeben werden.
VDGN-Vizepräsident Lothar Blaschke, der bei strahlendem Sonnenschein einen Radlader mit der symbolischen Unterschriftensammlung vor dem Landtag plazierte, sagte umringt von vielen mit Plakaten und Spruchbändern ausgerüsteten Bürgern: „Die erfolgreiche Initiative ist ein Meilenstein auf dem Weg zur vollständigen Beitragsabschaffung in Sachsen-Anhalt. Damit wird der Landtag gezwungen, sich noch einmal ganz konkret mit diesem Thema zu beschäftigen. Die Erfolgsaussichten sind gut, denn angesichts des landesweiten Protests hat nun auch die CDU als letzte Partei ihr Einlenken signalisiert”.
Lothar Blaschke ermutigt die Grundstückseigentümer, den Druck auf die Regierungsfraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen weiter aufrechtzuerhalten: „Denn jetzt geht es darum, daß das Gesetz, das jetzt ausgearbeitet wird, keinen Spielraum für jegliche Interpretationen liefert. Das ist in Sachsen-Anhalt nur dadurch zu erreichen, daß alle Beiträge, die seit dem 1. Januar 2019 erlassen wurden, rückwirkend abgeschafft werden. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes fordern wir eine Richtlinie der Landesregierung, die den Erlaß neuer Beitragsbescheide mit sofortiger Wirkung aussetzt. Nur eine solche Regelung ist konsequent und für die Bürger nachvollziehbar.“
Der VDGN wird mit den Bürgerinitiativen und den Freien Wählern am Ball bleiben und mit seiner im Oktober gegründeten Allianz der Bürgerinitiativen im Dialog mit der Politik für ein Gesetz kämpfen, das am Ende die Bürger auch rückwirkend von den Straßenausbaubeiträgen befreit.
Sind die Tage der Straßenausbaubeiträge nun auch in Sachsen-Anhalt gezählt? Mitte November hat die CDU als letzte Landtagsfraktion ihren Widerstand aufgegeben und den Weg für deren Abschaffung grundsätzlich freigemacht. Im März kommenden Jahres, so das Ziel, soll in Magdeburg die dafür notwendige Änderung des Kommunalabgabengesetzes beschlossen werden. Das ist anspruchsvoll, denn die neue Regelung müsse handwerklich gut, unbürokratisch, entsprechend den wirtschaftlichen Möglichkeiten ausfinanziert und auch fair gegenüber den Gemeinden sein, heißt es aus dem Landtag.
Eine zentrale Frage ist jetzt, welcher Stichtag dafür festgelegt und wie er definiert wird, um den Übergang möglichst gerecht zu gestalten. Und darüber waren die Parteien Anfang Dezember noch keineswegs einig. Zunächst sollte geprüft werden, welche Regelungen aus anderen Bundesländern sich bewährt haben und übernommen werden können.
SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben machte jedoch schon deutlich, seine Partei wolle verhindern, daß die Straßenausbaubeiträge zwar abgeschafft, die Anwohner für noch im Bau befindliche Maßnahmen jedoch noch jahrelang zur Kasse gebeten werden. Auch die Linken sehen diesen Fallstrick. Sie haben deshalb für Sachsen-Anhalt eine rückwirkende Abschaffung ab 1. Januar 2019 gefordert. Ansonsten bestehe die Gefahr eines massiven Abkassierens in der verbleibenden Zeit, erklärte die Landtagsabgeordnete Kerstin Eisenreich.
Doch die Beispiele der Nachbarländer Thüringen und Brandenburg zeigen, daß es beim Stichtag nicht nur auf ein Datum, sondern vielmehr auch auf eine genaue Beschreibung dessen, was bis dahin passiert sein muß, ankommt. Bei der Abschaffung wurde in beiden Ländern per Gesetz festgelegt, daß die Gemeinden weiterhin Beiträge erheben für alle Straßenausbaumaßnahmen, bei denen die sachliche Beitragspflicht bis spätestens 31. Dezember 2018 entstanden ist. Doch schon der Begriff „Entstehen der sachlichen Beitragsflicht“ wird in beiden Ländern unterschiedlich interpretiert. In Thüringen zählt der Eingang der letzten Unternehmerrechnung für die beendeten Bauarbeiten, in Brandenburg hingegen bereits die Abnahme der Bauarbeiten durch die Verwaltung. Wie sollen die Bürger das noch nachvollziehen können. In jedem Fall bedeutet eine solche Stichtagsregelung, daß es in Thüringen und Brandenburg unter Berücksichtigung der vierjährigen Verjährungsfrist bis Ende 2022 noch Straßenausbaubeiträge geben wird.
Das sorgt zum Beispiel ganz aktuell in der thüringischen Stadt Pößneck für erheblichen Ärger. Dort werden nämlich jetzt Beitragsbescheide verschickt für Straßenausbauten, die real schon vor 20 Jahren stattgefunden haben. Und Pößneck ist kein Einzelfall. „Es ist keinem Menschen zu erklären, warum die Landesregierung nach einer groß angekündigten Abschaffung – nun die weitere Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zuläßt“, sagt der vor Ort tätige VDGN-Regionalbeauftragte Wolfgang Kleindienst, bei dem nun viele Betroffene Rat und Hilfe suchen.
Für den Landtag Sachsen-Anhalt heißt das: Wenn er mit der Abschaffung der Straßenbaubeiträge politische Wirkung im positiven Sinn erzielen will, sollte er konsequent sein und beschließen, alle Anlieger von Beiträgen zu entlasten, die nach dem 31. Dezember 2018 einen Bescheid erhalten oder bisher noch keinen Bescheid bekommen haben. Die Kompensation für die ausfallenden Anliegerbeiträge sollten die Gemeinden dann – ähnlich wie in Bayern – aus einem Sonderfonds des Landes erhalten. Damit hätte man die Zwangsbeiträge sofort und ein für alle Mal erledigt.
Hagen Ludwig
Die neue Grundsteuer kommt. Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber zu einer Reform verpflichtet mit dem Ziel, Ungerechtigkeiten bei der Erhebung zu beseitigen. Der Grund: Die Grundsteuerabgaben hatten sich von den tatsächlichen Immobilienwerten zu weit entfernt. Am 8. November 2019 verabschiedete der Bundesrat die Grundsteuerreform, nachdem der Bundestag sie bereits am 18. Oktober beschlossen hat.
Nun sind die Bundesländer an der Reihe, bei denen nun die Umsetzung des Gesetzes liegt und die nun entscheiden müssen, ob sie sich dem Modell von Bundesfinanzminister Olaf Scholz anschließen oder durch die Öffnungsklausel ein eigenes Modell entwickeln.
Die Folge wird ein bundesweiter Flickenteppich mit verschiedenen Berechnungsmethoden sein. Klar ist bisher, daß die neue Grundsteuer ab dem 1. Januar 2025 fällig wird. Erst einmal müssen die Grundstückswerte und die Miethöhen ermittelt werden. Die Neuberechnung und Festsetzung erfolgen bis 2024. Beim Modell vom Bundesfinanzminister Scholz muß zukünftig der Wert aller Grundstücke neu bestimmt werden. Einzelne Länder haben bereits angekündigt, daß sie ein wertunabhängiges Modell für ihre Gemeinden vorsehen wollen wie der Freistaat Bayern. Dieses Modell setzt an der Fläche der Grundstücke und der vorhandenen Gebäude an. Die Werte der Grundstücke und der Gebäude bleiben dabei unberücksichtigt.
Wie berechnet sich die Grundsteuer zukünftig konkret?
Wie hoch ist die Grundsteuer in Zukunft? Die politische Absicht ist eine kostenneutrale Reform der Grundsteuer. Das bedeutet, daß die bisherigen Einnahmen für Kommunen gleichbleiben.
Da aber die Immobilienwerte neu bestimmt werden, wird der eine mehr zahlen, der andere weniger. Wie sich die Grundsteuerzahlungen einzelner Steuerpflichtiger verändern werden, läßt sich nicht pauschal beantworten, insbesondere weil die gegenwärtigen Grundsteuerzahlungen sehr ungleich verteilt sind, heißt es im Bundesfinanzministerium.
Die Grundsteuer berechnet sich auch zukünftig in drei Schritten: Wert x Steuermeßzahl x Hebesatz.
- 1. Schritt: Berechnung des Grundbesitzwertes – wesentliche Faktoren sind der jeweilige Wert des Bodens (Bodenrichtwert) und die Höhe der statistisch ermittelten Nettokaltmiete. Weitere Faktoren sind die Grundstücksfläche, Immobilienart und das Alter des Gebäudes. Die Einordnung der Gemeinden in Mietniveaustufen erfolgt vom Bundesfinanzministerium auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes.
- 2. Schritt: Ausgleich der Wertsteigerungen, die im Vergleich von den aktuellen zu den seit 1935 bzw. 1964 nicht mehr aktualisierten Werten entstanden sind. Dazu wird die Steuermeßzahl – ein Faktor, der für die Berechnung der Grundsteuer wichtig ist – deutlich auf 1/10 des bisherigen Werts abgesenkt, von 0,35 Prozent auf 0,034 Prozent. Außerdem sollen der soziale Wohnungsbau sowie kommunales und genossenschaftliches Wohnen auch über die Grundsteuer weiter gefördert werden. Deshalb sieht das Bundesfinanzministerium für Gesellschaften, die günstiges Wohnen möglich machen, einen zusätzlichen Abschlag bei der Steuermeßzahl um 25 Prozent vor, der sich steuermindernd auswirkt.
- 3. Schritt: Anpassen der Hebesätze durch die Kommunen: Sollte sich in einzelnen Kommunen das Grundsteueraufkommen wegen der Neubewertung verändern, besteht für sie die Möglichkeit, ihre Hebesätze anzupassen und so dafür zu sorgen, daß sich ihr Grundsteueraufkommen insgesamt nicht erheblich verändert. Die Kommunen haben angekündigt, daß sie dies auch tun werden – denn insbesondere eine Erhöhung der Grundsteuer anläßlich der verfassungsrechtlich gebotenen Neuregelung wäre politisch nicht vermittelbar.
Abbildung 1 zeigt exemplarisch, wie die Grundsteuer künftig berechnet werden soll. Sie zeigt, wie sich der Wert einer (flächenmäßig identischen) Immobile auf die zu zahlende Grundsteuer auswirkt: Wertvollere Immobilien gehen mit höheren Grundsteuerzahlungen einher. Unterstellt ist dabei, daß die Kommune ihren Hebesatz so anpaßt, daß sich ihr Grundsteueraufkommen im Zuge der Reform nicht verändert.
Die Abbildung 2 zeigt beispielhaft, wie sich die Grundsteuerzahlungen für verschiedene Arten von Immobilien am Beispiel in Dresden verändern könnten – mit und ohne die von den Kommunen zugesagten Änderungen beim Hebesatz, der von den Kommunen individuell festgelegt werden kann. Im neuen System würde ein Teil der Steuerpflichtigen deutlich bessergestellt als im Status Quo (insbesondere die Mieter von großen Mehrfamilienhäusern), ein Teil würde mehr Grundsteuer zahlen, während sich für einige Steuerpflichtige nur marginale Veränderungen ergäben.
Die Steuerzahlungen nach der Reform wären auf jeden Fall anders verteilt als im (zum Teil nicht begründbaren) Status Quo – und auch als im wertunabhängigen Modell. Den Unterschied zwischen neuer und alter Grundsteuer sollen die Beispiele aus Dresden deutlich machen. Grundsätzlich gilt:
- Besitzer von klassischen Einfamilienhäusern müssen mit steigenden Beträgen rechnen. Nach einer Reform gemäß dem Ländermodell würden viele Grundstücke deutlich höher bewertet werden. Weil sie das Grundstück allein nutzen, könnte eventuell auch eine reine Bodensteuer zu einem höheren Einheitswert führen.
- Bei Mehrfamilienhäusern würde sich eine Grundstückssteuer vorteilhaft auswirken. Besteuert würde nur das Grundstück, auf dem das Gesamtgebäude steht. Der Steuerbetrag würde durch alle Eigentümer/Bewohner geteilt.
- Ein unbebautes Grundstück zu halten, wäre im Verhältnis teurer als heute. Besitzer von Grundstücken müssen sich auf die neue Grundsteuer C gefaßt machen. Künftig soll es für baureife, aber unbebaute Grundstücke einen höheren Hebesatz durch die Kommunen geben. Das soll der Grundstücksspekulation vorbeugen.
- Bewohner von Großstädten müssen mit einer steigenden Grundsteuer rechnen. Vor allem in teuren Lagen wie in München, Hamburg oder Stuttgart haben die tatsächlichen Immobilienpreise mit den aktuellen Einheitswerten nichts mehr gemein. Eine Anpassung hätte wohl einen stark ansteigenden Einheitswert zur Folge. Allerdings könnten die Kommunen dies mit einem niedrigeren Hebesatz abfangen.
- Bewohner von strukturschwachen Gegenden könnten zukünftig weniger Grundsteuer zahlen. Sollten ihre Immobilien an Wert verloren haben, weil die Nachfrage zurückgegangen ist, würde sich das in einem angepaßten Einheitswert abbilden. Wenn die Kommunen auf Geld angewiesen sind, könnten sie dann allerdings den Hebesatz erhöhen.